Die Funzel

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Der nachfolgende Text wurde von Samuel Weiss bei unserem Mini-Festival Horst Blau geht träumen zu der Musik von Kasimir Effekt gelesen.

Die Funzel

figuren stehen darum herum. lustige, zermürbte, verhuschte, linsende, lauschende und misstrauische. ach, so viele sind es gar nicht. sie stehen um die funzel und widmen sich ihr. notieren, beobachten, notieren. ab und zu geht eine von ihnen mal nah heran, traut sich was. berührt die funzel fast oder zupft auch daran herum. gelegentlich verändert sich ihre lichtqualität, das eine oder andere zupfen lässt sie kurz heller werden, manchmal fast gleißend.

ich will etwas wissen, aber etwas macht “psst! hier wird nicht geredet. warst du noch nie hier, oder was?”

aber es gibt schon redezeiten. das finde ich heraus, als ich wiederkomme. denn ich bin neugierig geworden. neugier ist hier an einem geselligen ort. also kam ich wieder, und da redeten die wesen. leise gedämpft, murmelnd, murmel, murmel, murmel.

einmal sagte einer “vielleicht ist es nicht, wie es ist. es ist, wie wir wollen, das es wird. so ist es. so ist es nicht.” – und ich fand das sehr schön.

irgendwann stellt eine die frage: geht es dabei noch um was mit… einander?

da wusste niemand, ob die frage egal ist, denn allen war es klar: für einige war es selbstverständlich so – für andere ein murks. antworten tat niemand.

vielleicht wollte ich mit ihr reden. aber ich sah sie schon nicht mehr. hatte sie eben den kopf in die funzel hineingesteckt?

ich lag eingerollt und dachte über die funzel nach. das tat ich inzwischen meistens, wenn ich zuhaus war. aber meistens im allgemeinen war ich bei der funzel, inzwischen, denn ihr mal dunkles, mal gleißendes licht versprach uns allen irgendwie etwas. es forderte uns auch, inzwischen. wir redeten wenig miteinander, denn allen war hinreichend offensichtlich, worum es ging. aber scheinbar kamen wir voran.

ich lag eingerollt und dachte über die funzel nach, in schönen, runden kreisen. draußen war es leise. überhaupt war es draußen leiser geworden. die freunde hörte ich kaum, in letzter zeit, sie schienen viel zu tun zu haben, waren selten daheim. meine hände waren kühl, auch wenn ich sie im haar vergraben hatte. das war vielleicht ein wenig dünner geworden, seit kurzem. mein kopf war wach, in kreisen.

von draußen suchte sich ein licht den weg hinein, wie in vertretung der klänge. es zog hell an meinem wachen kopf, und an meinem keinen widerstand leistenden körper, zog an den haarspitzen und den zehen. kurz sah ich im kühlen leuchten wie vernachlässigt mein raum war. anklagend schauten dreck und unordnung, aber schon war ich wieder weg, wie von selbst waren meine glieder durch den tunnel nach außen gezogen.

an den wurzelwirren zog das licht mich weiter. ich wusste, klar, wohin. schemen schwebten vorbei. eben gerade nicht gesehenes. totenbilder. leeres. verblichen liegengelassenes. verstaubt entwichenes. verklebt, eingerostet. 

die bilder schienen in meinem klammen körper keinen platz zu haben. in meinem tauben, sich unter mir bewegenden körper, der mich weiter schob. dann verblassten sie im licht.

ich drehe schon so lange meine runden um die funzel. ihr gleißendes licht tat mal meinen augen weh, aber nun sehe ich nichts anderes mehr. ich drehe schon so lange meine runden um die funzel, ich weiß nicht mehr, wie lang. drumherum waren mal bäume, aber die gibt es nicht mehr, selbst wenn ich hinsehen könnte.

ich drehe meine runden und habe angst und vergesse, wovor ich angst habe. ich muss hineingehen, um etwas wiederzufinden. aber ich traue mich nicht.

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