Rechnitz (der Würgeengel)
Elfriede Jelinek
28.06. & 01.07.2019, Kampnagel
Presse: Artikel zur Aufführung in “Ossietzky” (ext. Link)
Die Sonne scheint, Capri-Eis tropft von den Handrücken, die Unschuldslämmer kauen auf ein paar Tulpen herum. Ein Stückchen idyllische Provinz. Sie könnte überall sein. Zum Beispiel in Rechnitz. Aber auch überall sonst. Unter der Blumenwiese liegen ein paar Gräber, über die alle geschwätzig schweigen. Ein unaufgeklärtes Verbrechen.
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„Aber Menschen an sich sind schon was Schönes, finden Sie nicht?“ (Rechnitz, Jelinek)
In Rechnitz gab es ein Fest. Ein Gefolgschaftsfest. Es ist Ende März 1945, die Rote Armee rückt näher und ein paar SS-Offiziere, Gestapo-Führer und einheimische Nazi-Getreue wollen es nochmal so richtig krachen lassen. Gräfin Margit von Batthyány hat auf ihr Schloss geladen. Irgendwann sind alle im Rausch. Nebenan warten etwa 200 ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter*innen auf ihre Hinrichtung. Ausgewählte Teile der Festgesellschaft werden später ein Blutbad anrichten, um anschließend bis in die Morgenstunden weiterzufeiern. Tags darauf brennt das Schloss und die Gräfin ist auf der Flucht in die Schweiz, wo sie fortan als angesehenes Mitglied der adligen Gesellschaft eine Pferdezucht betreibt.
Die Massengräber dieser Nacht werden nie gefunden, die Hauptverdächtigen haben sich abgesetzt, zwei Zeug*innen werden vor der Aussage ermordet, die Dorfgemeinschaft erstarrt. Niemand wird zur Rechenschaft gezogen. Es ist ein Verbrechen, über das noch immer geschwiegen wird. Es erzählt uns viel darüber, wie wir Erinnern – und vielleicht noch mehr darüber, wie wir Vergessen.
Und so kann Jelineks Theatertext nur ein weiteres „geschwätziges Schweigen“ sein. Eine Sprachfläche, die mit vielen Schleifen, Assoziationen und Leerlauf das historische Ereignis umkreist. Die Bot*innen erzählen uns davon in ihren Berichten. Sie sind Täter*innen, Opfer, Nachgeborene, Zeug*innen, sind Verdrängende und Erinnernde. Es sind Stimmen von damals und heute, verschiedene Positionen und Perspektiven zu verschiedenen Zeiten.
Die Vermischung der Zeitebenen, die Gleichzeitigkeit von Vergangenheit und Gegenwart nimmt die Inszenierung auf, indem sie den Abend an vier verschiedenen Orten spielen lässt. Alle erinnern sich anders. Alle vergessen anders. Und die Lämmer grasen.
(Text: Flavia Wolfgramm)
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Text: Elfriede Jelinek
Regie: Woody Mues
Bühne: Anton von Bredow
Kostüm: Anna Weitzel, Anna Zirwes
Dramaturgie: Flavia Wolfgramm
Musik: Christophe Schweizer, Chris Lüers
Choreografie: Valenti Rocamora i Tora
Videoregie: Laura Gericke
DOP: Leon Daniel
Tonmeister: Ivo Sloman
Videotechnik: Malwine Mangold-Volk, Marek Luckow
Spiel:
Robin Bongarts
Clara Braun
Hannah Ehlers
Ute Hannig
Josefine Israel
Miguel Jachmann
Max Kurth
Rosa Lembeck
Christoph Jöde
Josef Ostendorf
Meryem Öz
Sasha Rau
Viktoria Steiber
Catalina Suchomel
ein paar Unschuldslämmer
Assistenz Regie: Iñaki Ferrer Agell
Assistenz Bühne: Özge Akköse
Assistenz: Céline Moos